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BGH, Urteil vom 18. November 1996 – II ZR 207/95

§ 30 GmbHG, § 31 GmbHG, § 32a Abs 2 GmbHG, § 32a Abs 3 GmbHG, § 32b S 1 GmbHG, § 32b S 4 GmbHG, § 110 Abs 1 HGB, § 161 Abs 2 HGB

Übernimmt der Komplementär der Gesellschafterin einer GmbH unter seinem Namen eine Bürgschaft zugunsten der GmbH, dann scheidet seine Inanspruchnahme nach eigenkapitalersatzrechtlichen Regeln nicht von vornherein aus, falls der Kredit in der Krise aus Gesellschaftsmitteln zurückgeführt wird. Vielmehr ist der Komplementär einem Gesellschafter der GmbH dann gleich zu achten, wenn er die Kommanditgesellschaft beherrscht oder die Bürgschaft nicht als Privatperson, sondern in seiner Eigenschaft als deren Komplementär übernommen hat und deswegen einen Freistellungsanspruch nach HGB §§ 161 Abs 2, 110 gegen die Kommanditgesellschaft erworben hat.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 18. Mai 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger ist Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der T. GmbH W. (im folgenden: GmbH), die mit einem Stammkapital von 123.000,– DM ausgestattet war. Die Gesellschaft hatte bei der V.Bank eG N. Kredit in einer Gesamthöhe bis zu 239.000,– DM erhalten, der außer durch Sicherungsübereignungen durch zwei Bürgschaften bis zur Höhe von jeweils 240.000,– DM gesichert war. Die eine Bürgschaftsurkunde hatte der Gesellschafter O., die andere der Beklagte unterzeichnet. Beide Bürgen waren zu Geschäftsführern der GmbH bestellt worden. Der Beklagte war außerdem einer der beiden Komplementäre der G.-B. J. B. & Co. KG (im folgenden: G.-B. KG); diese Gesellschaft hielt ebenso wie der Gesellschaft O. eine Stammeinlage von 50.000,– DM, während sich die restlichen Stammeinlagen von zusammen 23.000,– DM auf drei weitere Gesellschafter verteilten.

Die GmbH geriet seit Mitte 1991 zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im März 1992 war der Schuldsaldo bei der V.Bank auf knapp 239.000,– DM angelaufen. Nachdem am 29. Juni 1992 der Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gestellt worden war, kündigte die Bank die Kredite am 1. Juli 1992 und verwertete die ihr von der Gesellschaft gestellten Sicherheiten und erlangte daraus Befriedigung ihrer Forderungen. Die Bürgen wurden nicht in Anspruch genommen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Bürgschaften hätten eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt und hat den Beklagten auf Zahlung eines Teilbetrages von 100.000,– DM in Anspruch genommen. Vor dem Landgericht hatte er Erfolg, während das Oberlandesgericht auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen hat.

Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Oberlandesgericht hat offengelassen, ob die von dem Beklagten eingegangene Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt hat, und hat das Klagebegehren schon daran scheitern lassen, daß der Beklagte weder Gesellschafter der GmbH war, noch zu dem Kreis der einem Gesellschafter ausnahmsweise gleichzusetzenden Dritten gehört habe.

2. Für das Revisionsverfahren ist deswegen zugunsten des Klägers zu unterstellen, daß die für die GmbH übernommene Bürgschaft jedenfalls im Frühjahr 1992 funktionales Eigenkapital dargestellt hat und der Beklagte durch die Verwertung des von der GmbH gestellten Sicherungsgutes durch die V.Bank eine nach §§ 32 b Satz 1, 32 a Abs. 2 GmbHG bzw. nach den sogenannten Rechtsprechungsregeln dem Kläger zu erstattende Leistung empfangen hat.

3. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln auf den von seiner Bürgschaftsschuld befreiten Beklagten, der unstreitig nicht zu den Gesellschaftern der GmbH gehört, verneint hat, halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt der angefochtenen Entscheidung, daß eine Erstreckung der Eigenkapitalersatzregeln auf nicht zum Kreis der Gesellschafter gehörende Dritte nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Nach der Rechtsprechung des Senats gehören zum Normadressatenkreis der genannten Regeln neben verbundenen Unternehmen vor allem solche dritten Personen, die mit Mitteln des Gesellschafters der GmbH Finanzierungshilfen gewähren (vgl. dazu Sen.Urt. v. 14. Juni 1993 – II ZR 252/92, ZIP 1993, 1072, 1073 m.w.N.).

b) Die Anwendung jener Grundsätze auf den konkreten Fall durch das Berufungsgericht begegnet jedoch durchgreifenden Bedenken, weil das Oberlandesgericht den Sachvortrag der Parteien samt den zugehörigen Urkunden nicht vollständig gewürdigt hat. Aus dem zwischen der V.Bank N. und der GmbH geschlossenen Kreditvertrag vom 29. Januar 1991 ist zu entnehmen, daß die Darlehen neben Sicherungsübereignungen durch zwei selbstschuldnerische Bürgschaften in Höhe von je 240.000,– DM gesichert werden sollten, die neben dem Gesellschafter O. der Beklagte zu stellen hatte, der dabei ausdrücklich ebenfalls als „Gesellschafter“ bezeichnet wurde.

(1) Diese Gleichsetzung des Beklagten mit der von ihm als einer der beiden Komplementäre geführten Gesellschaft hätte dem Berufungsgericht Anlaß zu der Prüfung geben müssen, ob nicht die Bürgschaft des Beklagten schon deswegen der KG zuzurechnen war, weil er diese Gesellschaft beherrschte. Eine entsprechende Behauptung hatte der Kläger schon in der Klageschrift aufgestellt, indem er vorgetragen hatte, dem Beklagten „gehöre“ die G.-B. KG. Der von ihm zugleich vorgelegte Handelsregisterauszug der KG, nach welchem neben dem Beklagten noch Herr J. B. als Komplementär und Frau Gi. B. als Kommanditistin an der Gesellschaft beteiligt sind, steht der Annahme einer derartigen Beherrschung nicht von vornherein entgegen.

(2) Selbst wenn aber eine derartige Beherrschung nicht feststellbar sein sollte, läßt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht ausschließen, daß der Beklagte – wie das Berufungsgericht formuliert hat – „die Bürgschaftserklärung mit Mitteln oder für Rechnung“ der G.-B. KG abgegeben hat. Dafür spricht, daß die kreditgewährende V.Bank, wie sich aus dem vorgelegten Kreditvertrag ergibt, nicht etwa eine Bürgschaftsverpflichtung der Geschäftsführer der GmbH verlangt hat, sondern offenbar – wie dies einer gängigen auf die finanzielle Identifikation der Gesellschafter mit der GmbH abzielenden Bankpraxis entspricht – eine Sicherung ihrer Darlehen durch die beiden zu jeweils mehr als 40 % an der GmbH beteiligten Gesellschafter erhalten wollte. Würdigt man die Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung durch den Beklagten nicht isoliert, sondern stellt diesen Vorgang in den Gesamtzusammenhang der Kreditgewährung und der von der V.Bank gestellten Bedingungen, dann kann die Bürgschaft durch den Beklagten – was das Berufungsgericht nicht erwogen hat – in seiner Eigenschaft als einer der beiden Komplementäre der G.-B. KG übernommen worden sein. Die Eingehung der Bürgschaftsverpflichtung wäre dann als Aufwendung in einer die KG betreffenden Angelegenheit einzuordnen und löste nach §§ 161 Abs. 2, 110 HGB einen Freistellungsanspruch des Komplementärs gegen diese Gesellschaft aus. In diesem Fall stammte die in Form der Bürgschaft gewährte und – nach der revisionsrechtlich gebotenen Unterstellung – Eigenkapital ersetzende Hilfe letztlich aus dem Vermögen der Gesellschafterin der GmbH und wäre – entgegen der Annahme des Berufungsgerichts – für Rechnung der G.-B. KG von dem Beklagten übernommen worden.

4. Damit das Berufungsgericht den Sachvortrag der Parteien vollständig würdigen und die gegebenenfalls erforderlichen Feststellungen zu der Frage treffen kann, ob die Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt hat, ist die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Schlagworte: GmbHG § 30, GmbHG § 31, HGB § 110, HGB § 161