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OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.07.2024 – I-3 Wx 69/24

Vereinssatzung

§ 32 Abs 2 S 1 BGB, § 58 Nr 4 BGB

1. Eine Satzungsbestimmung, die vorsieht, dass zu einer Mitgliederversammlung auf elektronischem Weg eingeladen wird und im Falle des Widerspruchs und der vollständigen Angabe der Postanschrift die Übersendung einer schriftlichen Einladung vorsieht, ist zulässig.

2. Zulässig ist ebenso eine Satzungsregelung, wonach virtuelle oder hybride Mitgliederversammlungen per Video oder Telefonkonferenz stattfinden.

Tenor

I. Auf die Beschwerde des beteiligten Vereins wird der Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 6. Dezember 2023 aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, über den Eintragungsantrag vom 11. September 2023 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der beteiligte nichtwirtschaftliche Verein begehrt seine Eintragung in das Vereinsregister.Randnummer2

Das Amtsgericht hat die Registereintragung mit dem angefochtenen Beschluss vom 6. Dezember 2023 abgelehnt. Zur Begründung hat es – soweit vorliegend noch von Interesse – ausgeführt: Der auf die Weitergabe des im gemeinschaftlichen Eigenanbau erwirtschafteten Cannabis gerichtete Vereinszweck sei verboten und daher gesetzeswidrig. Die in § 6 Nr. 3 Satz 2 der Vereinssatzung enthaltene Regelung, wonach die Einladung zur Mitgliederversammlung grundsätzlich elektronisch erfolgen solle, sei zudem unbestimmt, weil mehrere elektronische Übermittlungswege (E-Mail, WhatsApp, dritte Messangerdienste) denkbar seien. Zu beanstanden sei schließlich die Regelung, dass virtuelle oder hybride Mitgliederversammlungen per Video oder Telefonkonferenz stattfinden. § 32 Abs. 2 BGB gestattet lediglich die Durchführung einer Mitgliederversammlung im Wege der elektronischen Kommunikation, wozu die Telefonkonferenz nicht zähle.Randnummer3

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten, der darauf hinweist, dass Anbaugemeinschaften für Cannabis in Kürze legalisiert sein werden und der auch die weiteren Beanstandungen für unberechtigt hält.Randnummer4

Das Registergericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht mit Nichtabhilfebeschluss vom 15. April 2024 zur Entscheidung vorgelegt.Randnummer5

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Registerakte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg.Randnummer7

A. Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1. ist als befristete Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig, §§ 382 Abs. 4 Satz 2, 59 Abs. 2, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG. Der Beteiligte ist beschwerdeberechtigt (OLG Frankfurt a.M:, Beschluss vom 21.3.2017, 20 W 350/15; OLG Hamm, Beschluss vom 26.7.1999, 15 W 51/99). Zwar erlangt er gemäß § 21 BGB erst mit seiner Eintragung in das Vereinsregister Rechtsfähigkeit. Schon aus Gründen der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist es indes geboten, dem Vorverein im Eintragungsverfahren die uneingeschränkte Rechts- und Beteiligtenfähigkeit zuzubilligen. Die erforderliche Beschwer des Beteiligten folgt aus der Zurückweisung seiner Anmeldung durch das Registergericht.Randnummer8

B. Die Beschwerde ist begründet. Die Satzung ist in dem vom Amtsgericht beanstandeten Punkten rechtlich bedenkenfrei.Randnummer9

1. Das Argument des Amtsgerichts, der Vereinszweck des Beteiligten sei auf einen gesetzeswidrigen Zweck gerichtet, hat sich durch Zeitablauf erledigt. Nach § 11 Abs. 1 des Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis sind seit dem 1. Juli 2024 Anbauvereinigungen erlaubt, in denen gemeinschaftlich Cannabis angebaut und zum Eigenkonsum an Mitglieder weitergegeben wird.Randnummer10

2. Die Bestimmung der Satzung über die Einladung zu einer Mitgliederversammlung ist – anders als das Amtsgericht meint – nicht zu beanstanden. § 6 Nr. 3 Abs. 1 der Satzung lautet auszugsweise:Randnummer11

Die Mitgliederversammlung wird auf Beschluss des Vorstandes unter Angabe der vorläufigen Tagesordnung mit einer Frist von mindestens drei Wochen eingeladen. Die Einladung erfolgt elektronisch, wenn das Mitglied dem nicht schriftlich – unter Angabe einer vollständigen postalischen Anschrift – widerspricht. ….Randnummer12

Die Regelung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.Randnummer13

a) Gemäß § 58 Nr. 4 BGB soll die Satzung u. a. Bestimmungen enthalten über die Form der Einberufung der Mitgliederversammlung. Im Gegensatz zum Recht der Aktiengesellschaft, der GmbH und der Genossenschaft enthält das Vereinsrecht keine Vorschrift, in welcher Form und auf welchem Übermittlungsweg die Mitgliederversammlung einzuberufen ist. Der Satzungsgeber eines Vereins kann deshalb unter den zahlreichen in Betracht kommenden Möglichkeiten der Einladung zur Mitgliederversammlung grundsätzlich frei wählen. Die Einladungsform und der Übermittlungsweg müssen nur so gewählt werden, dass jedes Mitglied ohne Erschwernisse Kenntnis von der Anberaumung einer Mitgliederversammlung erlangen kann (OLG Hamm, Beschluss vom 23.11.2010, I-15 W 419/10; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 25.1.2012, 2 W 57/11; OLG Köln, Beschluss vom 20.4.2016, 2 Wx 54/16). Die Vereinssatzung kann daher ohne weiteres anordnen, dass schriftlich, mündlich, fernmündlich, mittels Fernkopie (Telefax), durch eingeschriebenen Brief, Boten, Anzeigen in einer bestimmten, namentlich zu bezeichnenden Zeitung oder Anschlag im Vereinslokal eingeladen wird. Nicht erforderlich ist, dass alle Mitglieder tatsächlich Kenntnis bekommen, solange die gewählte Einladungsform sicherstellt, dass sie allen Mitgliedern ohne Erschwernisse, insbesondere ohne unzumutbare Erkundigungen, die Möglichkeit der Kenntniserlangung von einer bevorstehenden Mitgliederversammlung verschafft (OLG Hamm, Beschluss vom 23.11.2010, I-15 W 419/10; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 25.1.2012, 2 W 57/11).Randnummer14

b) An diesen Anforderungen gemessen ist die Satzung des Beteiligten rechtlich unbedenklich.Randnummer15

aa) Die Bestimmung, dass zu einer Mitgliederversammlung auf elektronischem Weg eingeladen wird, gewährleistet für jedes Vereinsmitglied, dass es ohne nennenswerte Erschwernisse und ohne unzumutbare Erkundigungen einholen zu müssen, Kenntnis von der Einladung erhalten kann. Denn die Einladung zur Mitgliederversammlung kann ihm zwangsläufig nur auf demjenigen elektronischen Übermittlungsweg übersandt werden, den er der Beteiligten benannt hat.Randnummer16

Teilt das Vereinsmitglied dem Verein beispielsweise lediglich seine E-Mail-Adresse mit, kann die Einladung zur Mitgliederversammlung auch nur auf diesem Wege übermittelt werden. Das vom Amtsgericht angesprochene Problem, dass mehrere unterschiedliche elektronische Übermittlungswege (E-Mail, SMS, WhatsApp  oder einen anderen Messangerdienst) existieren können, spielt in solchen Fällen von vornherein keine Rolle.Randnummer17

Der Gesichtspunkt mehrerer elektronischer Übermittlungswege führt aber auch dann nicht zur Unzulässigkeit der in Rede stehenden Satzungsbestimmung, wenn ein Vereinsmitglied dem beteiligten Verein mehrere Übermittlungsmöglichkeiten benennt, also neben seiner E-Mail-Adresse auch seine Mobilfunknummer mitteilt, so dass ihm die Einladung zur Mitgliederversammlung per E-Mail, über SMS oder per WhatsApp-Nachricht übersandt kann. Dabei kann es auf sich beruhen, ob dem Einwand einer gesetzeswidrigen Erschwernis nicht bereits entgegensteht, dass das betreffende Vereinsmitglied aus freien Stücken und sehenden Auges dem Beteiligten selbst mehrere elektronische Übermittlungsmöglichkeiten eröffnet hat. In jedem Fall führt der Umstand, dass der Beteiligte in derartigen Fällen für die Übersendung der Einladung zur Mitgliederversammlung aus mehreren elektronischen Übermittlungswegen auswählen kann, bei dem betreffenden Vereinsmitglied nicht zu unzumutbaren Erschwernissen. Dem Vereinsmitglied wird weder ein unzumutbarer Nachforschungsaufwand abverlangt noch begründet die mögliche Inanspruchnahme verschiedener elektronischer Übermittlungswege das ernsthafte Risiko, dass die Einladung unentdeckt bleibt. Denn elektronische Nachrichten werden dem Empfänger unverzüglich angezeigt und können mühelos schon mit einem handelsüblichen Smartphone gelesen werden.Randnummer18

bb) Vereinsmitglieder, die entweder über kein elektronisches Postfach verfügen oder die dem Beteiligten eine elektronische Übermittlung der Einladung zur Mitgliederversammlung nicht anbieten wollen, können schließlich durch Widerspruch und Bekanntgabe ihrer Postanschrift erreichen, dass ihnen die Einladung auf dem Postweg übersandt wird.Randnummer19

In der Gesamtschau stellt § 6 Nr. 3 Abs. 1 der Vereinssatzung damit sicher, dass jedes Vereinsmitglied ohne weiteres von einer Einladung zur Mitgliederversammlung Kenntnis erlangt.Randnummer20

3. Zu Unrecht hat das Amtsgericht ebenso § 6 Nr. 3 Abs. 4 Satz 1 der Satzung als unzulässig beanstandet.Randnummer21

a) Die Regelung knüpft daran an, dass Mitgliederversammlungen vorrangig in Präsenz und nachrangig virtuell oder hybrid durchzuführen sind, wobei der Vereinsvorstand nach seinem Ermessen im Einzelfall die jeweilige Veranstaltungsform festlegt (§ 6 Nr. 3 Abs. 3 der Satzung). Im Anschluss heißt es in § 6 Nr. 3 Abs. 4 Satz 1:Randnummer22

Virtuelle oder hybride Mitgliederversammlungen finden per Video oder Telefonkonferenz statt.Randnummer23

b) Entgegen der Ansicht des Registergerichts verstößt die Satzungsbestimmung nicht gegen § 32 Abs. 2 Satz 1 BGB. Nach der genannten Vorschrift kann bei der Einberufung der Mitgliederversammlung vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Dementsprechend ist nicht nur eine Versammlungsteilnahme per Videokonferenz erlaubt, sondern gleichermaßen eine solche über Telefonkonferenz. Das belegt bereits die Entstehungsgeschichte der Norm. Zwar sollte die Möglichkeit einer hybriden und virtuellen Mitgliederversammlung nach dem Gesetzentwurf des Bundesrates vom 1. Juli 2022 (BR.-Drs. 20/2532) auf die teilnahmeim Wege der Bild- und Tonübertragung“ beschränkt sein. Zur Erläuterung heißt es dazu unter Abschnitt B (Lösung) des Gesetzentwurfs:Randnummer24

Im Unterschied zu § 5 Absatz 2 Nummer 1 und Absatz 3 a GesRuaCOVBekG wird die Möglichkeit der virtuellen teilnahme auf die teilnahme mittels Videokonferenztechnik beschränkt; eine teilnahme im Wege jedweder Art elektronischer Kommunikation wäre auf Grundlage der vorgesehenen Vorstandsermächtigung zukünftig nicht mehr möglich. Dies ist berechtigt, weil mit einer Präsenzveranstaltung wirklich vergleichbar nur eine per Videokonferenz durchgeführte Mitgliederversammlung sein dürfte.Randnummer25

Die Bundesregierung hat dem in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf allerdings ausdrücklich widersprochen und eine weitere Gesetzesfassung dahin angeregt, dass eine virtuelle Versammlungsteilnahme nicht nur im Wege der Bild- und Tonübertragung, sondern weitergehend „im Wege der elektronischen Kommunikation“ gestattet wird. Zur Rechtfertigung heißt es in ihrer Stellungnahme:Randnummer26

Es sollte Vereinen und Stiftungen weiterhin eine virtuelle teilnahme an der Mitgliederversammlung oder der Vorstandssitzung sowie die virtuelle Ausübung anderer Rechte der Mitglieder ermöglicht werden, jedoch sollte dies im Wege jedweder geeigneten elektronischen Kommunikation zugelassen werden, nicht nur durch Bild- und Tonübertragung (Videokonferenztechnik“. Dies bietet den Vereinen mehr Flexibilität, da die vorgeschlagene Regelung nicht nur für die Mitgliederversammlung gilt, sondern im Wege der Verweisung durch § 28 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bzw. § 86 Satz 1 BGB auf Sitzungen des Vereinsvorstands entsprechend anzuwenden ist.Randnummer27

Dementsprechend hat sich die Bundesregierung dafür ausgesprochen, die Gesetzesformulierung „im Wege der Bild- und Tonübertragung“ durch die Formulierung „im Wege der elektronischen Kommunikation“ zu ersetzen. Mit diesem Inhalt ist § 32 Abs. 2 Satz 1 BGB sodann auch Gesetz geworden, weshalb seither eine Versammlungsteilnahme auch über das elektronische Kommunikationsmittel der Telefonkonferenz erlaubt ist (ebenso: Westermann/Anzinger in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 32 Rn. 1).

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Es folgt bereits aus §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG, dass bei Erfolg der Beschwerde keine Gerichtsgebühren erhoben werden.  Aus diesem Grund erübrigt sich auch eine Festsetzung des Beschwerdewerts. Eine Anordnung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten bedarf es ebenfalls nicht, weil am Beschwerdeverfahren nur der Beteiligte teilgenommen hat.Randnummer29

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG). Der Entscheidungsfall wirft keine rechtsgrundsätzlichen Fragen auf. Dass § 32 Abs. 2 Satz 1 BGB auch eine teilnahme an der Mitgliederversammlung über Telefonkonferenz gestattet, ist nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Vorschrift zweifelsfrei.

Schlagworte: Vereinssatzung